Sehr geehrte Frau Präsidentin 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen

Stellen wir uns vor, wir würden alle Berufsgruppen, bei denen Vorurteile zu ihrer Gesinnung herumgeistern danach untersuchen. 

Wie sieht es bei der Polizei aus? Was ist deren politische Meinung? Wie stimmt eigentlich die Teppichetagen der Banken ab? 

Vielleicht gibt es auch eine halbwissenschaftliche Maturaarbeit zu den Mitgliedern des Generalstabes unseres Militärs? 

Sie würden mir zurufen: «Kollege Mörgeli, das ist ja absurd!»

Und recht hätten Sie. 

Denn eine Gesinnungspolizei hat in unserem Land, in unserem Kanton nichts zu suchen. Das möchte ich generell mal klarstellen.

Aber gehen wir nun auf die geforderte Gesinnungsabkärung der Lehrpersonen der Sekundarstufe II ein. 

Denn offenbar gibt es in diesem Saal eine Stahlhelmfraktion, die befürchtet unsere Jugend würde von linken Lehrpersonen indoktriniert.

Ich kann Sie beruhigen, liebe Kalte Kriegerinnen und -krieger. Dem ist nicht so.

Denn nur weil eine Mathematiklehrerin FDP wählt, geben 2 und 2 immer noch 4.

Die politische Ausrichtung der Lehrperson hat keinen Einfluss auf die Fakten und Thesen, die im Unterricht behandelt werden.

So ist das auch im Deutschunterricht, im Geschichtsunterricht und im Allgemeinbildungsunterricht.

Sie möchten sich tief in das Privatleben der Lehrpersonen einmischen, sie möchten Dinge von ihnen wissen, die Sie nichts angehen und diese Dinge dann notiert und professionell ausgewertet haben. 

Wissen Sie wie man das in den 1980er Jahren genannt hat? Fichenskandal!

Sie können mir doch nicht sagen, sie wollen einfach mal wissen, wie das so aussieht politisch in der Sekundarstufe II. Einfach aus Interesse. Einfach mal zur Komplettierung der Daten.

Sie können mir doch nicht sagen, dass es keine Konsequenzen hätte, wenn bei der Studie herauskommen würde, dass der Lehrkörper auf dieser Stufe Ähnliches auf ihren vom Stimmgeheimnis geschützten Wahlzettel schreibt!

Oh nein! Ohne dass die Kolleginnen und Kollegen der rechten Ratshälfte je eine Minute des Unterrichtes angeschaut hätten, würden Konsequenzen verlangt werden. 

Diese gefährliche Richtung möchte ich nicht einschlagen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. 

Ich kann Ihnen sagen: die Lehrpersonen der Sekundarstufe II werden in ihrem Unterricht besucht. Und zwar nicht von Michael Hermann, sondern von demokratische legitimierten VolksvertreterInnen. 

Diese beurteilen, ob der Unterricht neutral gestaltet ist. Dabei ist es komplett irrelevant, was die Lehrperson persönlich für eine politische Gesinnung hat. 

So muss es sein. Und so ist es heute auch.

Beenden Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, diesen Fiebertraum des Kalten Krieges und der Fichenaffäre. 

Zeigen Sie, dass Sie den Lehrpersonen zutrauen, ihre wichtige Aufgabe in der Ausbildung der Zürcher Schülerinnen und Schüler von ihrer persönlichen politischen Einstellung zu trennen. Genauso, wie sie es der Polizistin oder dem Generalstabsoffizier zutrauen. 

Die Gesinnungspolizei gehört auf den Misthaufen der Geschichte, ebenso wie dieses Postulat, dass genau diese Gesinnungspolizei aus dem Misthaufen wieder herausziehen möchte.

Ich lade Sie ein, ein klares Zeichen gegen solch überholte Ideen zu setzen und das Postulat zusammen mit der SP-Fraktion abzulehnen.

Ich danke Ihnen.

Votum 2 im Kantonsrat vom 31.10.2022

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